Stephan Mörker, Sie sind Leiter der Fachstelle Hilfsmittel des SZBLIND. Was sind Ihre Hauptaufgaben?
Einerseits kümmere ich mich um die Optimierung der verschiedenen Prozesse innerhalb der Fachstelle. Wir stellen uns Fragen, wie können wir den Verkauf, die Beratung und den Kundendienst noch kundenfreundlicher, das heisst effektiver, aber auch effizienter gestalten, was sind Einkaufskriterien, wie testen wir neue Hilfsmittel und wer ist involviert; andererseits, mache ich mir auch Gedanken, wie wir unser Vertriebsnetz mit weiteren Mitgliederorganisationen des SZBLIND ausbauen und externe Vertriebsstellen ausserhalb unserer Szene für die Produkte gewinnen können. Hier gilt es, Synergien zu nutzen und Doppelspurigkeit zu vernachlässigen.
Zusätzlich entwickeln wir selbst Produkte und führen hierfür internationale Marktstudien durch und suchen uns geeignete Industriepartner.
Als Fachstelle müssen wir die Kenntnis über technologische Möglichkeiten ausbauen. Hierfür sind wir in engem Kontakt mit internationalen Partnern, wie beispielsweise Google und der Apfelschule.
Im Bereich der Interessenvertretung führen wir das Dossier barrierefreie Haushaltgeräte. Wir setzen uns gemeinsam mit deutschen und österreichischen Verbänden für die Inklusion von Haushaltgeräten ein. Konkret: im Sommer 2022 publizieren wir unsere Strategie und Lösungsansätze auf unserer Homepage: www.homeforall.net und werden an der grossen Messe für elektronische Produkte an der internationalen Funkausstellung IFA in Berlin im September auf unser Anliegen bei Produzenten und Händler hinweisen.
Weshalb braucht es Hilfsmittel-Shops für Blinde und Sehbehinderte? Könnte der Markt nicht von gewöhnlichen Firmen abgedeckt werden?
Schön wär’s, und das ist von unserer Seite auch das Ziel. Inklusives Einkaufen. Hierfür sind wir daran, Grundlagen für die Beurteilung von Produkten in Bezug auf ihre Barrierefreiheit auszuarbeiten, mit dem Ziel, diese mit dem Detailhandel zu diskutieren.
Bis es jedoch so weit ist, bieten wir weiterhin Produkte nach dem Mehrsinnesprinzip an, das heisst mindestens zwei Sinne müssen über unsere Hilfsmittel angesprochen werden. Somit verfügen wir aktuell über 600 Produkte im Bereich Orientierung / Mobilität und Alltagshilfen. Wir arbeiten in der Sortimentserweiterung eng mit internationalen Partnern aus verschiedenen Ländern zusammen.
Was sind denn die Hauptherausforderung bei der Entwicklung (elektronischer) Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte?
Erstens gilt es zu klären, ob eine mögliche Entwicklung nicht nur in der Schweiz, sondern auch international einem Bedürfnis entspricht. Der Markt in der Schweiz ist für eine Entwicklung zu klein. Erst wenn ein klares internationales Bedürfnis erkannt wurde, machen wir uns daran den richtigen Industriepartner zu suchen. Ein klar formuliertes Pflichtenheft hilft uns, nicht an den Bedürfnissen vorbeizuentwickeln. Als Non-Profit Organisation müssen wir für ein Projekt die Vorfinanzierung der Entwicklung über eine Vergabestiftung beantragen. Erst bei Zusage der Finanzierung kann das Projekt realisiert werden. Bis zur Markteinführung setzen wir den Prototypen verschiedenster Herausforderungen aus.
Sie sagen, dass der Markt in der Schweiz zu klein ist. Und sie haben auch die Zusammenarbeit mit deutschen und österreichischen Verbänden erwähnt. Wie sieht es denn mit der Herausforderung «Sonderfall Schweiz» mit mehreren Landesprachen aus? Gibt es auch Kooperationen im französischen und im italienischen Sprachraum?
Ganz wichtig, doch, wir arbeiten eng mit Verbänden und Händler auch in Frankreich, Italien, Spanien, Dänemark, Grossbritannien, USA, Kanada, Tschechien zusammen. Der Austausch ist wichtig und wertvoll.
Welche Hilfsmittel sind die „Renner“ im Hilfsmittel-Shop des SZBLIND? Gibt es eine Art „Verkaufs-Hitparade“?
Ja, durchaus, bei den Langstöcken ist es der kanadische Stock Ambutech, bei den Uhren der sprechende Schlüsselanhänger, bei den Personenwaagen die Waage von Beurer. Interessanterweise haben wir während der Corona-Pandemie enorm viele Fiebermesser verkauft (wenn wunderts :-).
Und wo drückt der Schuh? Also, gibt es aus Ihrer Sicht Dinge im Alltagsleben Blinder und Sehbehinderter, die nicht gelöst sind? Welche Hilfsmittel, die es noch gar nicht gibt, würden Sie sich als Leiter der Fachstelle Hilfsmittel wünschen?
Unsere Bevölkerung wird älter und dadurch erhöht sich das Risiko nebst einer Sehbehinderung mit einer zusätzlichen Einschränkung konfrontiert zu werden. Wir sind daran einen Rollator für blinde / sehbehinderte Menschen auf den Markt zu bringen. Die Marktanalyse und das Konzept werden bis Herbst 2022 erstellt sein und dann geht es an die Suche nach Industriepartner, Geldgeber. Wir sind gespannt auf das Resultat.
Stephan Mörker ist 51-jährig. Er ist Vater von 4 Kindern und wohnt mit seiner Familie im Kanton Bern. Beim SZBLIND leitet er die Fachstelle Hilfsmittel seit 2010. Hobbys: Leidenschaftlicher Texter, Entwickler neuer Töne auf Piano und Gitarre wie auch Cajon (Schlaginstrument). Liebhaber bewegter Bilder (Film) und passionierter Geniesser von gutem Bier (aus England) und ab und zu eine gestopfte Pfeife. Inspirierende Gespräche über Gott und die Welt.
Der SZBLIND ist die Dachorganisation im Schweizer Blinden- und Sehbehindertenwesen. Er nimmt verschiedene Aufgaben wahr, zum Beispiel die Koordination der Interessenvertretung oder die Umsetzung gemeinsamer Projekte in der Arbeit von Kommissionen. Und: In der Entwicklung und im Vertrieb blinden- und sehbehindertengerechter Hilfsmittel. Die CAB gehört zu den zahlreichen Mitgliederorganisationen des SZBLIND. ⇒ www.szblind.ch ⇒ direkt zum Hilfsmittel-Shop des SZBLIND
Interview: Roland Gruber
Fotos: SZBLIND