Nachgefragt: Prof. Dr. med. Matthias Becker zu Typen und Folgen des Usher-Syndroms

Prof. Dr. Becker

Im Interview äussert sich CAB-Patronatsmitglied Prof. Dr. med. Matthias Becker zu Typen und Folgen des Usher-Syndroms.

Das Usher-Syndrom ist eine angeborene und genetisch vererbbare Behinderung des Seh- und Hörsinns. Der Name geht zurück auf den britischen Augenarzt Charles Usher, der 1914 das Krankheitsbild erstmals ausführlich beschrieben hat. Insgesamt gibt es ca. 40 verschiedene Krankheiten, bei denen eine Gehörlosigkeit mit Blindheit einhergeht. Das Usher-Syndrom ist die mit Abstand häufigste davon (ca. 50% aller von Hörsehbehinderung Betroffenen). Der Befall der Augen entspricht dem der Retinitis pigmentosa mit der typischen, langsam voranschreitenden Einengung des Gesichtsfeldes bis hin zum sogenannten Tunnelblick.

Das Usher-Syndrom wird in drei Typen eingeteilt. Was unterscheidet diese Typen?

Nach klinischen Kriterien unterteilt man das Usher-Syndrom in drei Formen: Typ-1 ist die schwerste Form mit Gehörlosigkeit seit Geburt und in der Jugend einsetzender Retinitis pigmentosa. Beim Typ-2 besteht seit Geburt lediglich eine hochgradige, meist gleichbleibende Hörbehinderung (keine komplette Taubheit) mit Augenbeteiligung ab der Pubertät. Beim dritten Typ treten sowohl Taubheit wie auch Blindheit erst im Laufe des Lebens auf.

Wie verbreitet ist das Usher-Syndrom und gibt es zuverlässige Angaben pro Usher-Typ?

In der europäischen Bevölkerung rechnet man heute mit 3 bis 6 Betroffenen pro 100‘000 Einwohnern. Da die Erkrankung mit steigendem Lebensalter zunimmt, findet man bei den 60-Jährigen sogar 10 Betroffene pro 100‘000 Einwohner. In der Schweiz leben demnach ca. 500 Betroffene. Durch Genanalysen kann man heutzutage das Usher-Syndrom sehr genau diagnostizieren und einen genetischen Subtyp klassifizieren. Davon gibt es bis heute 6 Subtypen für Typ-1, 4 für Typ-2 und 2 für Typ-3.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Leider ist das Usher-Syndrom mit den Möglichkeiten der modernen Medizin immer noch nicht kausal behandelbar. Gen- oder Stammzelltherapien befinden sich noch in der Entwicklung. Schon eher verfügbar sind Mikrosystemtechniken wie das Retina- oder Cochlea-Implantat, die eine gewisse Erleichterung der Seh- und Hörbehinderung bieten können. Der optimalen Rehabilitation kommt auch heute noch die grösste Bedeutung zu. Auch Selbsthilfeorganisationen haben hierbei eine grosse Bedeutung.

Was ist für die Diagnose entscheidender: Die Diagnose des einzelnen Symptoms oder das Vorliegen des Usher-Syndroms?

Die Diagnose ist oftmals schwierig zu stellen, weil die Symptome Nachtblindheit, Empfindlichkeit auf Lichtveränderungen und einengendes Gesichtsfeld zeitlich versetzt auftreten können. Ein Elektroretinogramm, eine Gesichtsfeld- und Netzhautuntersuchung, legen dann den Verdacht nahe. Eine genetische Untersuchung bestätigt dann die Diagnose. Wichtig ist die möglichst frühe Diagnose, um rechtzeitig Therapie- und Rehabilitationsmassnahmen einleiten zu können. Letztlich ist aber entscheidend, dass jedes Symptom eines Patienten oder einer Patientin bestmöglich erkannt und rehabilitiert wird, egal welche Diagnose am Ende gestellt wird.

Mehr Infos über Prof. Dr. med. Matthias Becker gibt es auf der Website des Stadtspitals Waid und Triemli, Zürich