CAB-Kurse: Von bevorstehenden Lockerungsmassnahmen, Mindestabstand und Schutzkonzept

Andrea Vetsch arbeitet seit 2011 bei der CAB. Seit 2016 ist sie Leiterin des CAB-Kurswesens.

In dieser Woche (am Mittwoch) informiert der Bundesrat voraussichtlich über weitere Lockerungsmassnahmen, die am 8. Juni in Kraft treten sollen. Bei der CAB, und im Speziellen im CAB-Kurswesen, werden die Bundesratsentscheide mit Spannung erwartet.

Roland Gruber (RG) Konnte die Kursverantwortliche der CAB Andrea Vetsch (AV) zu den Auswirkungen des Corona-Virus auf CAB-Kurse befragen.

RG: Andrea Vetsch, als Leiterin des Kurswesens der CAB war es für Dich und für Dein Team bestimmt eine sehr spezielle Zeit… Musstest Du viele CAB-Kurse absagen? Oder konntest Du sie auch verschieben?

AV: Ja, das kann man so sagen. Wer hätte das anfangs Jahr gedacht? Wir waren so zuversichtlich, die Zahl der Anmeldungen war bis Ende Februar sehr viel höher wie jene im Vorjahr. Wir dachten: „Schön, unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich langsam an die neuen Kursorte gewöhnt.“ Und dann kam es halt anders. Auf diese Situation waren wir natürlich nicht vorbereitet. Wir nahmen und nehmen die Situation ernst, wollten aber auf keinen Fall Angst verbreiten. Ich finde es schrecklich, wie sehr wir rundherum mit Negativschlagzeilen bombardiert wurden. Als Anhängerin der limbischen Sprache weiss ich, was Worte mit uns Menschen machen. Mir war von Anfang an wichtig, die Kurse wenn immer möglich zu verschieben und wenn sie dann abgesagt werden mussten, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf ein Alternativangebot zu einem späteren Zeitpunkt aufmerksam zu machen. Das ist uns gut gelungen.

RG: Wie sahen denn Deine Arbeitstage zu Zeiten des Lockdowns so aus?

AV: Wir waren ja meist im Home Office, was den Austausch im Team etwas erschwerte. Dafür wurde der Austausch mit den anderen Organisationen sehr wichtig und ich lernte, Videochats durchzuführen. Schon grossartig, diese Technologie! Die grösste Herausforderung war, dass wir nur sehr kurzfristig planen konnten und die jeweiligen Informationen der Behörden abwarten mussten. Das ist auch jetzt noch der Fall. Wir planen intensiv die Wanderwoche im Juni, müssen aber für die definitive Durchführung die Mitteilungen des Bundesrates Ende Mai abwarten.

RG: Eine Deiner wichtigen Aufgabe war die Entwicklung eines Schutzkonzepts zur Durchführung der Kurse. Was steht denn da so drin? Wird es starke Auswirkungen auf den «Kurs-Alltag» haben?

AV: Das Schutzkonzept ist auch so eine Sache. Das habe ich inzwischen bereits mehrmals überarbeitet. Ich hoffe nicht, dass die Einschränkungen auf den Kursalltag allzu gross sein werden. Natürlich halten wir uns an die Hygienemassnahmen. Unsere grösste Hürde ist der Mindestabstand von zwei Metern. Genau genommen gilt gemäss den behördlichen Auflagen Maskenpflicht, sofern der Abstand nicht eingehalten werden kann. Vor allem unsere blinden Teilnehmenden sind auf Begleitung bzw. Führung angewiesen. Das geht nicht mit zwei Metern Abstand. Selbstverständlich geht die Gesundheit aller Beteiligten vor. Es gilt nun, die verschiedenen Chancen und Risiken mit gesundem Menschenverstand gegeneinander abzuwägen. Gerade in den Bergen ist die Sicherheit der Teilnehmenden ein wichtiges Kriterium und natürlich möchten wir auch niemanden zwingen, auf einer Wanderung auf 2’000 Metern über Meer eine Schutzmaske tragen zu müssen. Das ist einfach nicht zumutbar. Wir versuchen, dort wo es geht, Abstand zu halten, gewisse Gewohnheiten zu überdenken (Brauche ich wirklich immer Körperkontakt beim Führen?) und fordern alle Teilnehmenden dazu auf, die Hygienemassnahmen einzuhalten. Die Freude am sozialen Austausch und der körperlichen Bewegung sollen aber im Vordergrund stehen. Wir sehen unsere Aufgabe nicht nur darin, die Menschen vor dem Virus zu schützen, sondern Angebote zu schaffen, die sie stärken. Was gibt es da Schöneres als eine Wanderung an der frischen Bergluft? Die Menschen waren jetzt lange genug isoliert. Es ist wichtig, dass alle Teilnehmenden über unsere Schutzmassnahmen informiert sind und dann auch frei entscheiden dürfen, ob sie unter diesen Bedingungen teilnehmen möchten oder nicht.

RG: Nun hat die CAB also ein Schutzkonzept für die Durchführung von Kursen für Blinde und Sehbehinderte. Was braucht es nun noch für Entscheide seitens der Behörden, dass es wieder los gehen kann mit den CAB-Kursen?

AV: Natürlich die Öffnung der Gruppengrösse. Die ist ja immer noch auf fünf Personen beschränkt. Wir gehen aber schon davon aus, dass diese Zahl am 8. Juni angepasst wird.

RG: Bist Du aus heutiger Sicht zuversichtlich, dass die Kurse wieder durchgeführt werden können? Und ab wann denkst Du, geht’s los?

AV: Ja, ich bin sehr zuversichtlich. Ich spüre auch das grosse Bedürfnis der Teilnehmenden. Unser erstes Angebot nach dem Lockdown wird ein Wandertag am 17. Juni an die Kleine Emme sein. Auch für unsere Wanderwoche im Binntal von 20. bis 27. Juni sieht es gut aus.

RG: Hattest Du während der Zeit des Lockdowns Begegnungen oder Telefongespräche mit Kursteilnehmenden oder -leitenden, die Dich besonders beeindruckt haben? Kannst Du uns ein Beispiel nennen?

AV: Hm, da gab es einige. Begegnungen waren ja eher selten in dieser Zeit, umso wichtiger wurden Telefongespräche und Mailkontakte. Ich möchte hier ein grosses Kompliment an unsere Kursleitenden aussprechen. Sie wurden sehr kreativ in dieser Zeit. Sehr berührt hat mich der Anruf einer jungen Teilnehmerin, eine sehr sportliche junge Frau, geburtsblind. Sie hat vor Kurzem den grossen Schritt in die Selbständigkeit gewagt und wurde durch diese Krise hart zurückgeworfen. Sie musste ihr Studium unterbrechen und kehrte während dieser Zeit zu ihren Eltern zurück, denn ohne Begleitung kommt sie nicht aus. Sie hat mich eindringlich gebeten, alles zu unternehmen, dass auch Blinde wieder aus dem Haus dürfen (mit Begleitung). Dann hatten wir auch viele Kontakte zu Personen, die in Institutionen leben und diese für längere Zeit nicht verlassen dürfen. Oder der Anruf eines blinden Teilnehmers, der mich darüber aufgeklärt hat, wie wichtig der Körperkontakt für ihn ist. Einen Kurs mit einer Umarmung abschliessen zu dürfen sei für ihn wie der Himmel auf Erden. Er zehre sehr lange davon. Auch der Händedruck sei ganz wichtig für ihn. Er spüre daraus, wer sein Gegenüber ist und wie er/sie sich gerade fühlt. Diese wichtigen Informationen, die wir Sehenden aus Mimik und Körpersprache so selbstverständlich ablesen, fehlen ihm nun gänzlich. Das hat mich schon nachdenklich gemacht.

RG: Zum Abschluss noch eine bestimmt nicht ganz einfache Frage: Denkst Du, dass diese Corona-Zeit nachhaltige Auswirkungen auf das Bildungswesen für Sehbehinderte haben wird? Zum Beispiel Massnahmen, die in den nächsten Jahren oder sogar für immer gelten werden?

AV: Das glaube ich nicht. Der Appell an die Hygienemassnahmen sehe ich eher positiv, auch langfristig. Der Mindestabstand wird uns bestimmt noch längere Zeit beschäftigen. Wie sagte Herr Bundesrat Berset so schön? „So langsam wie möglich, so rasch wie nötig.“ Wir sagen: „So viel Abstand wie möglich, so sicher wie nötig.“

RG: Vielen Dank für das Interview, Andrea. Und viel Erfolg in Deinem Beruf und auch sonst.

AV: Herzlichen Dank, das wünsch ich Dir auch.