Im NÄHER ran-Interview: Marc Sommer

Portrait Marc Sommer, Schweizerfahne im Hintergrund

Zur Person:

Marc Sommer lebt mit seiner Frau Jasmin und ihrer Tochter Timea in Eglisau. Der 44jährige Web Spezialist ist seit über 30 Jahren stark sehbehindert. Seit 2018 engagiert er sich als Präsident der Swiss Showdown Vereinigung.


NÄHER ran: Kannst Du den Leserinnen und Lesern Deine Sehbehinderung kurz beschreiben? Seit wann bist Du sehbehindert?

Marc Sommer in voller Aktion
Marc Sommer (im Hintergrund) im vollen Einsatz im Match gegen Kurt Halbheer

Marc Sommer: Als ich 12 Jahre alt war, wurde bei mir Retinitis pigmentosa (RP) diagnostiziert. RP ist eine seltene, erblich bedingte Erkrankung der Netzhaut. Mein Gesichtsfeld ist dadurch sehr eingeschränkt, man spricht vom «Tunnelblick». Weitere Symptome sind die Nachtblindheit, die erhöhte Blendungsempfindlichkeit und ein gestörtes Kontrastsehen.

Der Zustand verschlechtert sich sehr schleichend. Trotzdem durfte ich eine fast normale Kindheit und Jugendzeit erleben. Erst im Erwachsenenalter schränkte mich die Erkrankung im Alltag ein.

NÄHER ran: Was machst Du beruflich und wie wirkt sich Deine Sehbehinderung auf Dein Berufsleben aus?

Marc Sommer: Seit über 20 Jahren arbeite ich im Web Bereich. Zuvor absolvierte ich eine kaufmännische Ausbildung in einem Handelsunternehmen. Der damalige Internet Boom hat mich von Anfang an begeistert und gepackt. Für mich war klar, dass ich in diesem Bereich arbeiten will. Seitdem habe ich unzählige Webprojekte für interne Marketingzwecke und Kunden umgesetzt. Neben Webseiten erstelle ich Newsletter und bin für unser Kundenportal zuständig.

Durch die digitale Arbeitsweise darf ich einen grossen Teil im Home-Office arbeiten. Dadurch entfällt der Arbeitsweg, der für Sehbehinderte mühsam sein kann.

Im Geschäft wie auch zu Hause habe ich einen kleineren Touch-Bildschirm. Durch das eingeschränkte Gesichtsfeld nützt mir ein riesiger Monitor nicht viel. Zusätzlich habe ich die Bildschirmfarben invertiert und die Darstellung vergrössert – der Hintergrund ist schwarz und die Schriften weiss. Durch das Umkehren der Farben und Vergrössern kann ich die Inhalte besser lesen oder schreiben. Der grösste Mehrwert bietet mir die Verwendung von Tastenkombinationen, um effizient zu arbeiten.

NÄHER ran: Welche Hilfsmittel sind in Deinem beruflichen und privaten Alltag von Bedeutung?

Marc Sommer:

Im Alltag würde ich das Haus nicht mehr ohne Langstock verlassen. Trotz dem Sehrest würde ich dauernd irgendwo dagegen stossen. Dank dem Blindenstock gehen die Mitmenschen zur Seite oder bieten ihre Hilfe an.

Neben dem Computer mit Touch-Bildschirm nutze ich viel mein Handy als Lupe, dabei erstelle ich ein Foto von einem kleinen Text und kann es nach Belieben vergrössern. Zusätzlich nutze ich das VoiceOver und diverse Apps, die zum Beispiel Texte direkt von einem Blatt vorlesen.

Vor wenigen Jahren durfte ich bereits die Punktschrift lernen und kann diese mit einer mobilen Braillezeile immer wieder üben. Zurzeit geht das Lesen mit Vergrösserung noch.

NÄHER ran: Kannst Du für die Leserinnen und Leser, die Showdown noch nicht kennen, das Spiel kurz erklären?

Marc Sommer:

Showdown ist eine rasante und taktische 1:1 Ballsportart.

Siegerpodest IBZ-Open 2018
Das Siegerpodest an den IBZ-Open Landschlacht 2018: Von links nach rechts: Rita Dütsch, Marc Sommer, Walter Frei

Das Spiel gleicht dem Air Hockey. Dabei wird auf einem Spieltisch aus Holz gespielt, der mit einer Bande versehen ist. In der Mitte ist eine Kunststoffscheibe mit einem Durchlass für den Ball. An beiden Enden befindet sich ein Tor. Die Spieler tragen eine Dunkelbrille, einen Schutzhandschuh an der Spielhand. Mit einem Schläger wird versucht, den rasselnden Ball im gegnerischen Tor zu versenken. Dabei verlassen sich die Spieler lediglich auf ihr Gehör.

Wenn man diesen Sport einige Zeit ausübt, werden die Ballwechsel extrem schnell und der Ball ist teilweise von «normal Sehenden» nicht zu verfolgen.

NÄHER ran: Wie bist Du zum Showdown-Sport gekommen? Kannst Du Dich noch gut an Dein erstes Erlebnis in Zusammenhang mit Showdown erinnern?

WM Slowenien 2019
Die Schweizer Teilnehmenden am Team-Wettbewerb gegen Slowenien an der WM in Olbia (Sardinien)

Marc Sommer: An den ersten Kontakt erinnere ich mich sehr gut. Im Jahr 2017 wurde im Hotel Solsana in Saanen durch Thomas Häni ein Showdown Workshop angeboten. Im Vorfeld habe ich den Sport auf YouTube angeschaut und wollte diesen unbedingt ausprobieren.

 

Bereits ab dem ersten Ballwechsel, noch vor dem offiziellem Kursbeginn, hat mich das Showdown-Fieber gepackt. Mich persönlich fasziniert das Spiel, denn man braucht schnelle Reflexe, eine gute Konzentration und Taktik, um beim Gegner ein Tor zu erzielen.

Als Kind habe ich gerne Tischtennis oder Federball gespielt, dies konnte ich später mit meinem Krankheitsverlauf nicht mehr ausüben. Showdown bietet blinden und sehbehinderten Menschen eine tolle Möglichkeit, trotzdem eine rasante Ballsport auszuüben. Es macht einfach Spass.

NÄHER ran: Und was gibt Dir Dein Engagement als Präsident der Swiss Showdown Vereinigung?

Gründungsversammlung
Die Gründungsversammlung der Swiss Showdown Vereinigung 2018 in Olten

Marc Sommer: Unser Ziel mit der Vereinigung ist es, den Showdown-Sport in der Schweiz zu fördern und bekannt zu machen. Obwohl der Sport schon seit über 10 Jahren in der Schweiz gespielt wird, kennen ihn viele nicht.

 

Mein «Lohn» ist es, wenn das Showdown Fieber weitere Menschen packt.

Die Vereinigung organisiert jährlich ein nationales Turnier, sowie die Schweizermeisterschaft. Zusätzlich probieren wir unsere Wandertische an verschiedenen Standorten zu platzieren, um die Förderung voranzutreiben.

NÄHER ran: Neu bietet die CAB einen Showdown-Schnupperkurs an, den Du leiten wirst. Was kannst Du darüber sagen und was hast Du vor mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern?

Marc Sommer: Der Schnupperkurs findet im Hotel Landhus in Zürich-Seebach statt. Hier wurde die letzten Showdown Schweizermeisterschaft durchgeführt. Die kommende Schweizermeisterschaft im Oktober wird ebenalls dort stattfinden.

Bei diesem Kurs geht es um den ersten Kontakt mit dem Showdown-Sport. Den Teilnehmenden werden mit abwechslungsreichen Übungen die Grundlagen und Taktiken vermittelt. Das Gelernte kann am zweiten Tag bei einem kleinen Turnier umgesetzt werden. Dabei steht der Spass am Spiel im Vordergrund.

Marc Sommer, von hinten aufgenommen
Marc Sommer im Einsatz an der Schweizermeisterschaft 2019

Beim Kurs werde ich von einem internationalen Schiedsrichter, einem Showdown Coach und einem weiteren aktiven Spieler unterstützt. Dabei werden wertvolle Tipps aus erster Hand weitergegeben.

NÄHER ran: Vielen Dank, Marc, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview genommen hast und alles Gute Dir und der Swiss Showdown Vereinigung.

Marc Sommer: Besten Dank an die CAB, dass wir den Sport vorstellen durften und der Schnupperkurs angeboten wird. Vielleicht bietet sich dadurch die Gelegenheit, neue Spieler am Tisch für ein Match zu begrüssen.


Weiterführende Links (Swiss Showdown Vereinigung):

Medienberichte über Showdwon und Protagonist:innen

Das aktuelle Regelement der IBSA (INTERNATIONAL BLIND
SPORTS FEDERATION) (englisch)

Offizielles Turnier Reglement der Swiss Showdown Vereinigung (deutsch)