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Im NÄHER ran-Interview: Pietro Londino

Zur Person:

Pietro Londino ist Erwachsenenbildner, geboren 1971. Er wohnt mit seiner Ehefrau und zwei Töchtern im Kanton Thurgau. Seit seinem vierten Lebensjahr ist Pietro Londino blind. Da seine Wurzeln in Italien sind, ist er perfekt zweisprachig: italienisch und deutsch / schwiezerdütsch.


NÄHER ran: Pietro, im Rahmen von Einführungs- und Sensibilisierungstagen hilfst Du der CAB immer wieder, neue freiwillige Mitarbeitende zu schulen. Was gibt Dir dieses Engagement?

Foto: Pietro Londino erklärt Umgangsweise mit Smartphone
Foto: Pietro Londino erklärt an einem Einführungs- und Sensibilisierungstag für freiwillige Mitarbeitende der CAB und Zivis wie blinde Nutzerinnen und Nutzer ein Smartphone bedienen.

Pietro Londino: Ich finde das voll spannend und wichtig. Ich kann Menschen etwas weitergeben. Menschen, die bereit sind, Blinde und Sehbehinderte zu begleiten, sei es im Rahmen von Wochen- oder Tageskursen. In diesem Bereich aus dem Vollen schöpfen zu können und Workshops mitzuleiten, Red und Antwort zu stehen und Menschen zu sensibilisieren, das finde ich etwas Zentrales und Wichtiges, und ich mache das sehr gerne. Gerade auch die Zusammenarbeit in einem tollen CAB-Team gibt mir viel Freude und Genugtuung.

NÄHER ran: Du als blinde Person, die auch schon Kurse besucht hat und auch selbst Weiterbildungskurse leitet; etwas plakativ gefragt: Was macht in Deinen Augen eine gute Begleitperson (in Kursen) aus?

Foto: Pietro Londino und Roland Gruber
Foto: Pietro Londino und CAB-Mitarbeiter Roland Gruber nach einem Schulungstag für freiwillige Mitarbeitende der CAB.

Pietro Londino: Ich drücke mich da jeweils so aus, finde aber, dass man dies nicht buchstäblich verstehen sollte: Eine gute Begleitperson ist eine, die mir folgt, wie mein Schatten. Die Begleitperson ist immer da und greift dann ein, wenn es nötig ist. Sie steht mir dann zur Verfügung, wenn ich es brauche; und ist aber so ein bisschen unscheinbar. Ich möchte das aber nicht so verstanden wissen, dass der Begleiter mein «Diener» oder mein «Gang go….» ist. Begleitpersonen sind ja schliesslich Menschen, und es kommt zu einer Interaktion und eine Beziehung entsteht. Und das macht es spannend und farbig. Nebst dem «Technischen Aspekt», dass eine Begleitperson dann eingreift, wenn es nötig ist, auch nachfrägt, wenn es Unsicherheiten gibt, ist da ja auch ein Mensch, mit dem wir Blinde und Sehbehinderte eine Beziehung aufbauen. Ich empfinde es als enorm bereichernd, wenn sich zwei Menschen treffen und ihre Geschichte teilen und sich darüber austauschen.

NÄHER ran: Hauptberuflich arbeitest Du für die Stiftung AccessAbility. Was sind dort Deine Hauptaufgaben?

Pietro Londino: Schulung von blinden PC- oder Smartphone-Nutzerinnen und -Nutzern. Mit meiner Ausbildung als Erwachsenenbildner ist dies mein «Kerngeschäft». Auch hier fasziniert mich das Zusammentreffen mit Menschen, mit denen eine Beziehung entsteht. Aber natürlich liegt der Fokus in erster Linie auf der Schulung. Ich empfinde es als wichtig, dass ich als Selbst-Betroffener etwas weitergeben kann. Das hat mit Glaubwürdigkeit zu tun: Die Menschen wissen: «Er weiss, von was er spricht». Ich erlebe die Haltung unserer Kundinnen und Kunden mir gegenüber als extrem wohlwollend, sie sind sehr bereit, das anzunehmen, was ich ihnen mitgebe. Daneben arbeite ich auch back-office (Terminvereinbarungen, Telefon-Support, Bedarfsabklärungen). Ich verfasse auch Anträge zur Kostenübernahme an die Invalidenversicherung. Aber, wie gesagt, das «Kerngeschäft» ist die Schulung von Blinden oder ganz stark Sehbehinderten am PC (mittels Sprachausgabe und / oder Braille-Zeile) und am Smartphone (v.a. mit VoiceOver und allenfalls Braille-Zeile).

NÄHER ran: Würdest Du es bei Schulungen an elektronischen Hilfsmitteln als Vorteil bezeichnen, dass Du selbst blind bist?

Pietro Londino: Ja, wie gesagt, grundsätzlich schon. Ich kann sehr gut zu Kunden sagen: «Hey, das kannst Du», und die Kunden werden nicht sagen: «Du kannst ja gut reden». Es hat aber nicht nur Vorteile: Es gibt Software, die nicht 100-prozentig gut bedienbar ist für unser eins. Da wäre es manchmal schon hilfreich, ich könnte auf dem Bildschirm besser nachvollziehen, was gerade abgeht. Oder, wenn ein Kunde immer wieder eine falsche Tastenkombination drückt, dann kann ich das ja nicht sehen, und es braucht manchmal schon etwas Phantasie, mir vorzustellen, was schiefläuft. Aber eben, in der Schulung von Betroffenen sehe ich meine Blindheit überwiegend als Vorteil.

NÄHER ran: Und gleich noch einmal etwas direkt gefragt: Digitalisierung, für Blinde, mehr Nutzen oder mehr Fluch?

Pietro Londino: Oh, das ist eine ganz schwierige Frage. Auf der einen Seite glaube ich, es ist sehr viel mehr möglich dank der Digitalisierung als noch früher. Auf der anderen Seite zeigt sie uns Sehbehinderten und Blinden immer klarer unsere Grenzen auf. Die Digitalisierung bringt in unserer Gesellschaft auch stark den Anteil mit, dass alles schneller gehen muss, mehr Informationen in kurzer Zeit zu verarbeiten sind. Wo es um Quantität geht, die wir bewältigen müssen, und das noch in einer gewissen Geschwindigkeit, da sind wir Blinde und Sehbehinderte immer benachteiligt. Aus dieser Sicht würde ich sagen, der «Fluch»-Anteil ist schon sehr gross und nicht zu unterschätzen. Aber dann kommt schon wieder die andre Seite: Dank der Digitalisierung sind wir in der Lage, ein Smartphone mittels Screenreader zu bedienen. Also, ich bin halt jemand, der lieber das halb volle als das halb leere Glas und somit den Nutzen einer Entwicklung sieht. Aber unter dem Strich muss ich doch feststellen, dass der «Fluch-Anteil» gross ist. Solange ich als Blinder mir nicht den Druck mache, ich könne mich aufgrund der Digitalisierung mit Sehenden messen, kann ich mich über den Segen der Digitalisierung freuen und ihre Vorteile nutzen. Und ich glaube: Da wird noch Einiges möglich sein in Zukunft, ich sage nur: Selbst fahrende Autos.

NÄHER ran: Wir stehen kurz vor Weihnachten. Was bedeutet Dir Weihnachten?

Foto: Pietro Londino
Portraitbild: Pietro Londino hat viele Kindheitserinnerungen an grosse Weihnachts-Familienfeste in seiner süditalienischen Heimat.

Pietro Londino: Sehr viel. Als Süditaliener erinnere ich mich gerne an Familienfeste, an richtig grosse Feste. In Süditalien wird vom 24. auf den 25. Dezember die Nacht so zu sagen durchgefeiert, angefangen mit einem üppigen Weihnachtsessen, das durchaus um 20 Uhr beginnen und bis weit in die Morgenstunden hinein dauern kann, mit Dudelsack-Einlage und so weiter…. Und heute: Für mich als bekennender und praktizierender Christ ist Weihnachten schlicht das Fest der Freude und der Liebe. Gott hat uns seinen Sohn auf diese Erde gegeben, und zwar nicht unantastbar in einem Palast, sondern für alle zugänglich in einem einfachen Stall. So dürfen wir auch heute die Liebesbotschaft von Gott an uns Menschen feiern, natürlich auch bei einem feinen Essen. Aber vielleicht, gerade in dieser festlichen Zeit, auch Zeit haben für Menschen, die allein sind. Und Geschenke, besonders auch für unsere Kinder, die gehören doch einfach auch dazu. Wo Freude und Liebe herrschen, da werden auch Geschenke gemacht. Weihnachten ist für mich auch das Fest des Lichts. Und darf ich zum Abschluss des Interviews noch ein bisschen «polemisch» werden?: Energiesparen ist natürlich wichtig, keine Frage. Aber dass in der dunklen Jahreszeit, das so wichtige Licht abgestellt wird, das kann ich nicht ganz verstehen. Ich finde: In der Dunkelheit sollen die Licher brennen, um die Menschen und ihre Gemüter zu erhellen.

NÄHER ran: Vielen Dank, Pietro, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview genommen hast.

Pietro Londino: Ich bedanke mich herzlich bei der CAB für die Gelegenheit, dieses Interview geben zu dürfen. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern des Newsletters NÄHER ran freudige, liebevolle und erleuchtete Weihnachtstage.


Dieses Interview entstand in Zusammenhang mit dem CAB-Newsletter NÄHER ran.

Hier können Sie NÄHER ran abonnieren: www.cab-org.ch/newsletter

Hier geht es direkt zur Webversion der aktuellen Ausgabe: Webversion NÄHER ran #8 vom 22.12.2022

Das CAB-Kursprogramm 2023 ist online

Le groupe en randonnée dans une forêt, photographié de dos.

Ein spezieller Moment im CAB-Jahresablauf: Seit heute 1. Oktober finden Sie die 35 mehrtägigen und 18 eintägigen CAB-Kurse 2023 online. – Freuen Sie sich auf ein reichhaltiges und abwechslungsreiches Kursprogramm:

mehrtägige Kurse 2023

Tageskurse 2023

Wenn Sie möchten, können Sie sich direkt online anmelden (unten an der jeweiligen Kursausschreibung). Oder Sie rufen uns an: 044 466 50 66. Oder: Anmeldung per E-Mail.

CAB Delegiertenversammlung vom 21. Mai 2022

An der Delegiertenversammlung haben wir neue Statuten eingeführt, welche die CAB in ein neues Zeitalter bringen sollen. Der wichtigste Aspekt ist die Definition der neuen Mission als Vereinszweck. Diese fliesst auch ins neu erstellte Leitbild, welches auf der Homepage publiziert ist: www.cab-org.ch/leitbild

Die Mission ist die Daseinsberechtigung der CAB. Es war ein langer Prozess, der teilweise auch durch externe Fachpersonen begleitet wurde. Die aktuelle Mission ist der Konsens aus einer mehrjährigen Arbeit:

• Wir sind eine Selbsthilfeorganisation für sehbehinderte und blinde Menschen

• Sehbehinderte und Blinde gestalten die Zukunft der Selbsthilfe aktiv mit

• Wir fördern die soziale Integration und Inklusion mit Beratungs-,

Freizeit- und Weiterbildungsangeboten

• Wir motivieren sehbehinderte und blinde Menschen, das Leben in die Hand zu nehmen und selbstbestimmt zu leben

• Wir unterstützen Klienten mit einer individuellen Beratung im persönlichen Umfeld

• Wir sind keine Beratungsstelle, sind aber mit den Fachstellen vernetzt

• Wir suchen Angebote, welche die jüngere Generation anspricht

• Für religiöse oder spirituelle Sinnfragen und Hilfestellungen vernetzen wir Klienten mit unseren regionalen Gruppen oder Seelsorgestellen

Im Bereich der Mitglieder wurde ebenfalls eine Änderung vorgenommen: Bisher war es Blinden und Sehbehinderten nur möglich, bei einer Sektion der CAB Mitglied zu werden. Nachdem unsere Sektionen in den letzten Jahren unter Mitgliederschwund und Überalterung gelitten hatten und sich teilweise aufgelöst hatten, musste nach einer Lösung gesucht werden. Neu kann die CAB Geschäftsstelle überregional blinde und sehbehinderte als Mitglieder aufnehmen. Dies wurde vor allem für Menschen möglich gemacht, deren Sektionen in den letzten Jahren aufgelöst wurden. Es steht aber allen Interessierten offen. Wir planen regionale Treffen in den angestammten Regionen und sind dafür auf die Mithilfe von Mitgliedern oder freiwilligen Mitarbeitenden vor Ort angewiesen. In den neuen Statuten wurde das Stimmenverhältnis zwischen Mitgliedern der CAB und Delegierten der Sektionen definiert, damit keine Gruppe die andere unfair überstimmen kann.

Eine weitere wichtige Veränderung in den Statuten betrifft die Zielgruppen unserer Arbeit. Früher war die Arbeit mit Taubblinden und Hörsehbehinderten ein wichtiges Standbein der CAB. In den letzten Jahren war die Klientenarbeit mit dieser Gruppe leider so stark rückläufig, dass wir keine Fachpersonen für diese Klienten mehr auslasten können. Dies betrifft sowohl die Beratung als auch das Kurswesen. Da die wenigen taubblinden und hörsehbehinderten Klienten sowieso bereits durch den SZBLIND und / oder die Taubblindenhilfe betreut werden, zieht sich die CAB aus diesem Bereich zurück. Hier geht’s zur entsprechenden News-Meldung.

Text: Rudolf Rosenkranz, CAB-Geschäftsleiter

Zur Seite Mission und Leitbild

Parlamentarier-Anlass vom 31. Mai 2022 mit Inclusion Handicap

Bundeshaus Bern Photo by Andreas Fischinger on Unsplash

Am 31. Mai 2022 fand in Bern ein Parlamentarieranlass von Inclusion Handicap (IH) statt, an welchem wir, zusammen mit dem SZBLIND, dem SBV und dem Blindenbund, das Blinden- und Sehbehindertenwesen repräsentierten und gemeinsame Anliegen vorstellen konnten. IH hatte zu diesem Anlass unter dem Aspekt der stark kritisierten Umsetzung der UNO-BRK eingeladen. Insgesamt nahmen zwei Ständerätinnen und 8 Nationalrätinnen und Nationalräte, Mitglieder der kantonalen Sozialdirektorenkonferenz, Vertreter des BSV und weiteren Organisationen an diesem Anlass teil.

Zusammen mit dem SZBLIND und der Interessenvertretung des SBV konnten wir unsere gemeinsamen Anliegen in Form von zwei Inputs vorstellen. Der erste Input betraf die Wichtigkeit der Verkehrssicherheit aus der Sicht von Blinden und Sehbehinderten im Hinblick auf eine aktuelle Vernehmlassung zur Schaffung von Begegnungszonen anstelle von klar getrennten Strassen und Trottoirs. Der zweite Input richtete sich an Verantwortlichen von geplanten e-Voting-Plattformen. Die aktuelle Situation ist eine klar mangelhafte Barrierefreiheit am Beispiel von fehlenden Abstimmungs-Schablonen zur selbständigen Partizipation am politischen Geschehen im Sinne der Wahrung des Abstimmungsgeheimnisses. Es wurde ein Handout verteilt, welches von allen 4 Organisationen erarbeitet und signiert ist.

Für das Sehbehindertenwesen mit dem SZBLIND, dem SBV, dem Blindenbund und der CAB war dies ein sehr wertvoller Anlass, um unsere hervorragende Zusammenarbeit und Einigkeit zu demonstrieren. Gleichzeitig durften wir von der politischen Erfahrung und Bekanntheit von IH profitieren. Die Politiker waren offen für unsere Inputs und stellten gute Fragen.

Es zeigt sich an diesem Beispiel exemplarisch, wie wichtig es ist, dass die Organisationen im Blindenwesen gut zusammenarbeiten, um etwas zu bewirken. Die früheren Einzelkämpfer-Ambitionen der Organisationen brachten den Blinden und Sehbehinderten nichts und gehören zum Glück der Vergangenheit an.

Text: Rudolf Rosenkranz, Geschäftsleiter CAB

Beitrags-Foto: Photo by Andreas Fischinger on Unsplash

Die CAB zieht sich aus der Taubblindenarbeit zurück

Die Arbeit mit Hörsehbehinderten und Taubblinden war lange Jahre ein wichtiges Standbein der CAB. In den letzten Jahren ging die Arbeit mit dieser Klientengruppe kontinuierlich zurück. Einige Klienten sind gestorben und neue kamen nicht dazu. Letzteres kann als positives Zeichen für die fortschreitende Technik oder zumindest teilweise für eine gelungene Inklusion betrachtet werden.

In der Beratung der CAB hatte der Rückgang einen Knowhow-Verlust zur Folge, was sich zum Beispiel im Lormen mit Taubblinden niederschlug. Das Lormen muss wie eine Fremdsprache regelmässig geübt werden, damit man sie nicht verlernt.

Im Kursbereich konnten wir wegen den Covid-Einschränkungen keine Blockkurse mit Hörsehbehinderten und Taubblinden durchführen. Die traditionellen Wochen mit der Tanne oder der Taubblindenhilfe konnten leider nicht oder nur in einem reduzierten Rahmen stattfinden. Es zeichnete sich aber schon länger ab, dass wir immer mehr Probleme haben, passende Begleitpersonen für die Kurse zu finden.

Der Zentralvorstand der CAB hat sich aus den genannten Gründen dazu entschlossen, die Taubblindenarbeit aufzugeben und die Vereinsstatuten entsprechend anzupassen. Die verbleibenden Klienten sind alle bereits durch unsere Partnerorganisationen SZBLIND und / oder die Taubblindenhilfe gut und professionell versorgt.

Rudolf Rosenkranz
Geschäftsleiter

Zürich, 8. Juni 2022

UNO Ausschuss legt den Finger in die Wunde

UNO-Ausschuss legt den Finger in die Wunde

Die Schweiz erfüllt die Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) bei weitem nicht – mit wesentlichen Nachteilen für Menschen mit Sehbehinderung und Hörsehbehinderung.

Gemäss des UNO-Ausschuss sehen sich Menschen mit Behinderung in der Schweiz mit vielen Hürden konfrontiert. Die Organisationen des Sehbehindertenwesens, SZBLIND, SBV, SBb und CAB zeigen auf, welche Barrieren gemäss abschliessender Bemerkungen des UNO Ausschusses Menschen mit Sehbehinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe an einer inklusiven Gesellschaft immer noch verunmöglichen. Ungenügende Noten werden der Schweiz ausgestellt in der Möglichkeit sehbehinderter Menschen zur politischen Partizipation, der Zugänglichkeit aller Bereiche des öffentlichen Lebens, der Zugänglichkeit von Information und Kommunikation, dem Zugang zu Assistenz, zum Arbeitsmarkt und zu Bildung. 

Politische Partizipation

Situationsanalyse: Menschen mit einer Sehbehinderung können ihre politischen Rechte nicht autonom und selbstbestimmt wahrnehmen. Grund dafür ist die im Bundesgesetz über die politischen Rechte (BPR) festgehaltene Bestimmung, dass bei Abstimmungen und Wahlen nur die amtlichen Stimm- und Wahlzettel benützt werden dürfen und das Ausfüllen handschriftlich erfolgen muss (Art, Abs. 1 und 2 BPR).  Menschen mit Sehbeeinträchtigung sind nicht schreibunfähig, können sich aber nicht ohne Hilfe auf den Unterlagen orientieren. Dass sie heute eine Assistenzperson beiziehen müssen, um die Abstimmung- oder Wahlunterlagen auszufüllen, erfüllt den Tatbestand der Diskriminierung. Gleichzeitig verletzt dies Art. 5, Abs. 7 BPR, wonach das Stimmgeheimnis zu wahren ist.

Forderung des UNO-Ausschusses: Der UNO Ausschuss prangert in seinem Bericht den mangelnden Zugang zu Informationen über die öffentliche Politik und den Zugang zu Entscheidungsprozessen an und betont die eingeschränkten Möglichkeiten zur Beteiligung in allen Phasen dieser Prozesse. Der UNO-Ausschuss fordert „die Gewährleistung der Zugänglichkeit des Abstimmungsverfahrens für alle Menschen mit Behinderungen“.

Lösungswege: Dank e-Voting könnten die Vorgaben über die politischen Rechte der UNO-Behindertenrechtskonvention sowie des Bundes-Behindertengleich­stellungsgesetzes (BehiG) für Menschen mit Sehbeeinträchtigung grösstenteils erfüllt werden. Im Sinne von Art. 8, Abs. 2 der Schweizerischen Bundesverfassung muss deshalb so rasch wie möglich ein vollständig hindernisfreies E-Voting-System offiziell und ohne Einschränkung gesamtschweizerisch eingeführt werden.

Mit den vom SZBLIND entwickelten Abstimmungsschablonen können die politischen Rechte sehbehinderter Menschen in naher Zukunft punktuell verbessert werden, da so die Wahrung des Stimmgeheimnis bei nationalen Abstimmungen ermöglicht werden kann. Ein entsprechender politischer Vorstoss ist in den Nationalrat überwiesen worden.

Zugänglichkeit aller Bereiche des öffentlichen Lebens

Situationsanalyse: Die Organisationen des Blinden- und Sehbehindertenwesens stellen fest, dass im Bereich Zugänglichkeit im öffentlichen Raum, öffentlichen Verkehr, bei Dienstleistungen sowie im Bereich der Informationen und Kommunikation weitgehend ein koordiniertes Vorgehen fehlt. Die Umsetzung der BRK wird nicht konsequent verfolgt und es fehlt ein nationaler Aktionsplan. Im föderalistischen System der Schweiz gibt es grosse Unterschiede in der Umsetzung oder Auseinandersetzung mit der Thematik.

So endet bspw. die 20-jährige Umsetzungsfrist zur Herstellung der Barrierefreiheit von Bauten, Anlagen und Fahrzeugen im öffentlichen Verkehr mit der ernüchternden Feststellung, dass diese Frist nicht eingehalten werden kann.

Für private Anbieter von Dienstleistungen besteht keine Pflicht die Zugänglichkeit zu gewährleisten. So sind viele Internetseiten, Apps, elektronische Dokumente oder auch Automaten (Bankomaten, Billetteautomaten, …) für Menschen mit einer Sehbehinderung nicht zugänglich und autonom nutzbar.

Forderung des UNO-Ausschusses: Der UNO Bericht moniert „das Fehlen einer umfassenden Zugänglichkeitsstrategie zur Harmonisierung der Zugänglichkeitsverpflichtungen auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene, zur Verankerung universeller Designstandards und zur Einbeziehung aller Zugänglichkeitsbereiche, einschließlich des öffentlichen Verkehrs, der Gebäude und Einrichtungen, der öffentlichen Räume, der Dienstleistungen, des Bauwesens sowie des physischen, des Informations-, des Kommunikations- und des digitalen Zugangs.“

Der UNO-Ausschuss sieht einen negativen Trend darin, dass die verstärkte Anwendung von EU-Normen niedrigere Anforderungen an die Zugänglichkeit festlegt und die Fähigkeit von Menschen mit Behinderungen und ihren Vertretungsorganisationen einschränkt, sich für ein höheres Mass an Verpflichtungen im Rahmen des Übereinkommens einzusetzen.

Dieses Vorgehen und Festhalten an EU-Normen wurde zuletzt am Beispiel des FV-Dosto praktiziert. Zum Leidwesen der betroffenen Menschen mit Sehbehinderung und Blindheit. Inclusion Handicap hatte dagegen beim Bundesgericht geklagt und es konnten auf dem Rechtsweg Verbesserungen erwirkt werden.

Zugänglichkeit von Kommunikation und Information

Situationsanalyse: Vor allem Menschen mit Hörsehbehinderung und Taubblindheit sind darauf angewiesen, Zugang zu alternativen Kommunikationsformaten und Kommunikationsassistentinnen und Assistenten zu haben, damit ein möglich selbständiges Leben gelingen kann. Insbesondere spätertaubte Taubblinde, für die die Gebärdensprache eine Fremdsprache bleibt, haben heute keine Finanzierungsmöglichkeiten für Schriftdolmetscher im nichtberuflichen Bereich (z.B für Arztbesuche, Abklärungen für Haushalthilfen usw).

Zur Zeit beruht der Zugang zu Kommunikation auf vielen freiwilligen Begleitpersonen. Auf diese haben Menschen mit Hörsehbehinderung und Taubblindheit allerdings keinen Anspruch. Und auch die Qualität der Begleitung ist sehr unterschiedlich, weil es keine Qualitätskontrolle gibt.

Auch für Menschen mit Sehbehinderung und Blindheit sind heute noch immer sind zahlreiche Websites (siehe Schweizer Accessibility-Studie Onlineshops) und Publikationen nicht barrierefrei. So mussten wir dies zuletzt bei der Veröffentlichung des OBSAN Berichts zu Hör- und Sehbeeinträchtigungen in der Schweiz feststellen, der leider nicht barrierefrei erstellt wurde.

Forderung des UNO-Ausschusses: Im Hinblick auf die Zugänglichkeit von Informationen betont der Ausschuss, es gelte genügend Mittel bereit zu stellen „für die Entwicklung, Förderung und Nutzung zugänglicher Kommunikationsformate wie Braille-Schrift, Dolmetscher für Taubblinde Menschen, Gebärdensprache, Einfache Sprache, Audiodeskription, Untertitel sowie taktile, unterstützende und alternative Kommunikationsmittel“.

Der UNO-Ausschuss mahnt explizit zur „zur Erleichterung des Zugangs blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen zu veröffentlichten Werken und zur Verbesserung der Verfügbarkeit zugänglicher veröffentlichter Werke.“

Der UNO Ausschuss fordert von der Schweiz zudem die Entwicklung rechtsverbindlicher Informations- und Kommunikationsstandards auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene, um die Zugänglichkeit von Informationen für die Öffentlichkeit zu gewährleisten, auch bei öffentlichen Veranstaltungen und auf Websites, im Fernsehen und in den Medien.

Zugang zu Assistenz

Situationsanalyse: Ein ebenfalls aus Sicht des Sehbehindertenwesens wichtiges Thema ist der Zugang zu Assistenzleistungen. Die heute von der IV gewährte Assistenz kann die Bedürfnisse von Menschen mit einer Hörsehbehinderung und Taubblindheit nicht abdecken. Der zusätzliche Zeitbedarf in der Bewältigung des Alltags wird von der IV nicht berücksichtigt. Von den Krankenkassen sind in der Grundversicherung (KVG) keine Leistungen für Haushalthilfen vorgesehen. Nur wer genügend finanzielle Möglichkeiten hat, hat evtl. eine Zusatzversicherung (VVG), die Haushalthilfen abdeckt.

Zudem werden Begleitpersonen von den Ergänzungsleistungen nicht zurückvergütet. Nur Transportkosten zu ärztlichen Terminen werden von der Sozialversicherung anerkannt. Dass Menschen mit Hörsehbehinderung und Taubblindheit ohne Begleitperson evtl. gar nicht zum Arzt gehen kann, wird nicht berücksichtigt.

Forderung des UNO-Ausschusses: Hierzu hält der UNO-Ausschuss fest, dass eine Stärkung der persönlichen Assistenz und der Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen notwendig sei, „damit diese unabhängig in der Gemeinschaft leben können“.

Zugang zum Arbeitsmarkt

Situationsanalyse: Unter Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung herrscht generell eine höhere Erwerbslosigkeit und niedrigere Erwerbstätigkeit: Es braucht mehr angepasste Arbeitsstellen auch auf dem offenen Arbeitsmarkt, u.a. mit Hilfe einer Pflicht für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber.

Dies stellt auch der UNO-Ausschuss fest. Er registriert mit Sorge, dass Menschen mit Behinderungen lediglich auf dem „geschützten Arbeitsmarkt“ mit sehr niedrigen Löhnen eine Chance hätten und begrenzte Möglichkeiten des Übergangs auf den offenen Arbeitsmarkt bestehen“.

Forderungen des UNO-Ausschusses: So fordert auch der UNO-Ausschuss die „Entwicklung und Umsetzung eines umfassenden Aktionsplans zur Harmonisierung der Zuständigkeiten von Bund und Kantonen, um den Übergang von Menschen mit Behinderungen vom „geschützten Arbeitsmarkt“ zum offenen Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor zu ermöglichen, mit gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit, in einem inklusiven Arbeitsumfeld und mit Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung“.

Es sollen Massnahmen ergriffen werden zur „Steigerung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem offenen Arbeitsmarkt, auch im privaten Sektor, durch geeignete politische Massnahmen wie Zielvorgaben, positive Aktionsprogramme und Anreize“.

Zugang zu Bildung

Situationsanalyse: Die Organisationen des Schweizer Sehbehindertenwesens halten fest, dass das Bildungssystem noch längst nicht inklusiv ist. Der Föderalismus wird als grösste Herausforderung gesehen, da die Kantone im Bildungsbereich sehr unterschiedlich unterwegs sind. Heute tragen Kantone mit einer spezialisierten Schule und / oder einem ambulanten Angebot für die Unterstützung der Lernenden der Inklusion besser Rechnung. Aber es ist immer noch Zufall, ob ein Kind umfassende Chancen auf inklusive Bildung erhält. Wenn Schülerinnen und Schüler in der Regelschule integriert werden, müssen sie vieles neben der Schule lernen, was andere Kinder nicht müssen: Umgang mit der IT, Lebenspraktischen Fähigkeiten, Orientierung und Mobilität, Umgang mit ihren Hilfsmitteln, ggf. Braille. Dieses vielfältige Zusatz-Lernen wird heute vom System nicht berücksichtigt oder einkalkuliert, belastet die Kinder zusätzlich (Zeit und Energie) oder kann nicht ermöglicht werden.

Forderungen des UNO-Ausschusses: Das Sehbehindertenwesen der Schweiz begrüsst daher die Forderung des UNO-Ausschusses nach „Einführung eines verfassungsmässigen Rechts auf inklusive Bildung und Entwicklung einer umfassenden Strategie für die Umsetzung einer qualitativ hochstehenden, inklusiven Bildung für alle Kinder mit Behinderungen […] mit spezifischen Zielvorgaben, Zeitplänen, Budgets, dem Transfer von Ressourcen aus Sonderschulen sowie inklusiven Lehrplänen und Lehrerqualifikationen auf Bundes- und Kantonsebene“.

 

 

 

Assisi Reise 13. – 20. März 2022

Reisebericht
von Nadia Rudolf von Rohr, Franziskanische Gemeinschaft

Drei Jahre währte «dank» Corona die Vorfreude auf diese besondere Assisi-Reise: Sechs blinde bzw. sehbehinderte Menschen und doppelt so viele Begleitpersonen haben wir während vier Tagen – ja, es waren am Ende nur vier, aber davon später – durch Francescos und Klaras Städtchen begleiten dürfen. Was man nicht alles sehen kann, auch ohne dafür die Augen nutzen zu können!

Gruppe in den engen Gassen Assisis.

Es war eindrücklich, wie sich die nicht Sehenden durch die engen Gässchen, auf Feldwegen und über Treppen hinauf und hinunter bewegt haben, als ob es nichts wäre. Wie sie Eindrücke haben wirken lassen, ganz Nase und Ohr waren und wo nötig auch kreativ auf Entdeckungsreise gingen…

Bernadette, assistiert von Sybille, ertastet mit dem Blindenstock die Bronzestatue des heiligen Franziskus.

 

 

 

 

 

 

 

 

Aber auch die Begleitpersonen haben uns beeindruckt, ihre Feinfühligkeit und Aufmerksamkeit, die Bereitschaft, die Bedürfnisse der andern vor alles zu stellen, die vielen kleinen Aufmerksamkeiten und Handreichungen – das alles hat einen wunderbar tragenden Boden gegeben!

Assisi mit Weitsicht.

Und wenn am Sonntagmorgen früh in Altdorf noch Fremde zueinander in den Bus gestiegen sind, so waren es am Donnerstag, als wir Abschied nehmen mussten, Geschwister, die die Heimreise antraten. Allerdings, nicht alle nahmen den Reisebus – vier von uns hat Corona in Italien eingeholt und wir hatten alle Hände voll zu tun mit Versorgung der Isolierten und der Organisation der Heimreise für die Corona-Positiven. Von allen war Flexibilität gefragt und auch hier blicken wir dankbar zurück auf das Miteinander dieser Menschen, die auch mit dieser Situation grossartig und geschwisterlich umgegangen sind. Um diese Erfahrung und eine weitere Assisi-Perle sind wir alle reicher!

Gruppe vor dem Tor, durch das Franziskus die Stadt verliess. Übrigens: In Gelb am Boden sitzend: Co-Reiseleiterin Monika.

Die vier Tage, die wir hier erleben durften, waren erfüllend und von eigenem Reichtum. Wir haben das geschichtliche Assisi erkundet, von der Burg zum Amphitheater, über die Piazza und zum mittelalterlichen Baby-Fenster bis nach San Pietro. Wir sind den Fusspuren Francescos und Chiaras gefolgt, haben den Gesängen der Brüder in San Damiano gelauscht und dem Glockengeläut von Santa Chiara und San Rufino. Und auch die Vermächtnisse in Stein im San Francesco und in der Portiuncula haben uns auf ihre Weise beeindruckt.

 

Männerrunde mit Pizza auf der Piazza und natürlich einem feinen Bier.

Und selbstverständlich haben wir uns auch an der «Italianità» gefreut: am «aperitivo», an gutem Essen und Wein und dann und wann trotz kaltem Wind auch an einem «gelato».

 

 

 

 

Wir schauen dankbar zurück auf diese gelungene Premiere einer Assisi-Reise für Blinde und Sehbehinderte und wir freuen uns schon heute auf ein nächstes Mal!

Bericht: Nadia Rudolf von Rohr, Franziskanische Gemeinschaft

Nach Assisi ist vor Assisi – Save the date:
Die Franziskanische Gemeinschaft und die CAB sind bereits in der Planung für eine Neuauflage der Assisi-Reise: SO 12. Mai bis SA 18. Mai 2024


In der Gruppe wurden die persönlichen Highlights „Perlen“ genannt. Und so war Roland Gruber von der CAB auf „Perlen-Suche“. Hier also einige Zitate von Reiseteilnehmerinnen und -teilnehmern:

Christin (sehende Reiseteilnehmerin):

Von links nach rechts: Christin, Sybille, Hans und Nadia vor dem Hotel „La Rocca“.

„Eine erste grosse Perle dieser Zeit in Assisi war für mich schon ganz am Anfang der Reise, als ich Bernadette am Zug in Luzern abgeholt habe. Sofort habe ich gemerkt, wie eine Vertrautheit und eine Freude zu wachsen beginnen. Bernadette konnte mir sehr schnell sagen, was sie braucht und was sie nicht so mag, z.B. bestimmte Berührungen. Und wenn dies am ersten Tag von mir mal vergessen ging, dann hat mich Bernadette freundlich darauf hingewiesen, und wir konnten beide darüber lachen. Das war eine sehr schöne Erfahrung, gerade auch mit dieser Leichtigkeit unterwegs sein zu können“.

Bernadette (blinde und hörbehinderte Reiseteilnehmerin):

Die Gruppe geniesst die Aussicht auf Assisi und das, was zu hören und zu riechen ist. Bernadette im Vordergrund, am Geländer mit grünem Rucksack. Ganz im Vordergund: Co-Reiseleiterin Nadia.
Bernadette und Sybille haben gerade eine Treppe überwunden.

„Also, ich kann nicht von einer einzelnen Perle, sondern von einer ganzen Perlenkette berichten. Eine besondere Perle war für mich unser Reiseleitungs-Team, Nadia und Monika. Sie haben es hervorragend organisiert. Meine besondere Perle mit den beiden ist ihre Begeisterung für Franziskus, die sie mit uns geteilt haben. Diese Begeisterung ist auf mich übergeschwappt, das Feuer hat mich angesteckt. Eine weitere Perle ist für mich die herrliche Begleitung, die ich von Christin, Zita und Sybille hatte und von vielen anderen. Ich wurde so herrlich umsorgt. Ich danke allen, insbesondere auch der Franziskanischen Gemeinschaft und der CAB.“

Ursula (sehende Reiseteilnehmerin):

„Für mich war es bereichernd, jede und jeden in der Gruppe kennenlernen zu dürfen. Natürlich: Die einen etwas näher, die anderen etwas weniger. Die letzten beiden Tage haben halt schon etwas gefehlt. Aber die Tage, die wir gemeinsam hatten, die waren mit viel Freude und Spass, Stille und Gebet, Flötenspiel von Bettina und Christin bereichert. Das tat gut für Leib und Seele. Auch sehr schöne Momente erlebte ich beim gemeinsamen Essen und Trinken und beim gemeinsamen Unterwegssein. (…). Als gutsehender Mensch habe ich erlebt, wie Blinde und Sehbehinderte unkompliziert, selbständig und eigenständig unterwegs sind, jede und jeder auf seine / ihre eigene Art. Ich habe gelernt, loszulassen, wenn mir z.B. sehbehinderte Reiseteilnehmende gesagt haben ‚Es geht schon allein‘. Mir wurde bewusst, wie der Humor dazu beitragen kann kleine Versprecher oder Patzer zu entschuldigen. Mir wurde richtig bewusst, dass es nicht selbstverständlich ist, mit gutem Sehen unterwegs zu sein, aber auch was alles Möglich ist beim Unterwegssein mit einem Handicap, auch mit einer Einschränkung genussvoll durchs Leben zu gehen. Für mich ist jede Form von Leben wertvoll, wenn es einem gelingt, eine innere Haltung und eine innere Einstellung vorwiegend positiv gestalten zu können.“

Roland (Roli) Gruber (sehbehinderter Reiseteilnehmer) in einem Facebook-Kommentar:

Roli in der Stamm-Gabelung eines der zahlreichen umbrischen Olivenbäume.

„Die Assisi-Reise war einfach nur wunderbar, und ich zehre ganz bestimmt noch lange von diesen Tagen in einzigartiger „Gruppen-Atmosphäre”. Hans und Mirco haben mich topp begleitet, getreu dem Motto „so viel wie nötig, sowenig wie möglich“; sie waren immer zur Stelle, wenn es für mich hilfreich war. Und dass die gesamte Gruppe wegen der früheren Heimreise und den positiv Getesteten so ruhig und „harmonisch“ reagieren konnte, das ging von der ruhigen, klaren und besonnen Art der hochprofessionell agierenden und reagierenden Reiseleitung aus: Nadia und Monika (und Chauffeur Urs) haben das sensationell gemacht. Wir haben auch in der verkürzten Zeit sooo viel erlebt. Es war einfach nur schön…!“

Fotos: Nadia Rudolf von Rohr, Roland Gruber sowie verschiedene Reiseteilnehmerinnen und -teilnehmer
Zusammenstellung auf dieser Website: Andrea Vetsch und Roland Gruber

Nachgefragt: Stephan Mörker

Stephan Mörker, Sie sind Leiter der Fachstelle Hilfsmittel des SZBLIND. Was sind Ihre Hauptaufgaben?

Einerseits kümmere ich mich um die Optimierung der verschiedenen Prozesse innerhalb der Fachstelle. Wir stellen uns Fragen, wie können wir den Verkauf, die Beratung und den Kundendienst noch kundenfreundlicher, das heisst effektiver, aber auch effizienter gestalten, was sind Einkaufskriterien, wie testen wir neue Hilfsmittel und wer ist involviert; andererseits, mache ich mir auch Gedanken, wie wir unser Vertriebsnetz mit weiteren Mitgliederorganisationen des SZBLIND ausbauen und externe Vertriebsstellen ausserhalb unserer Szene für die Produkte gewinnen können. Hier gilt es, Synergien zu nutzen und Doppelspurigkeit zu vernachlässigen.

Zusätzlich entwickeln wir selbst Produkte und führen hierfür internationale Marktstudien durch und suchen uns geeignete Industriepartner.

Als Fachstelle müssen wir die Kenntnis über  technologische Möglichkeiten ausbauen. Hierfür sind wir in engem Kontakt mit internationalen Partnern, wie beispielsweise Google und der Apfelschule.

Im Bereich der Interessenvertretung führen wir das Dossier barrierefreie Haushaltgeräte. Wir setzen uns gemeinsam mit deutschen und österreichischen Verbänden für die Inklusion von Haushaltgeräten ein. Konkret: im Sommer 2022 publizieren wir unsere Strategie und Lösungsansätze auf unserer Homepage: www.homeforall.net und werden an der grossen Messe für elektronische Produkte an der internationalen Funkausstellung IFA in Berlin im September auf unser Anliegen bei Produzenten und Händler hinweisen.

Weshalb braucht es Hilfsmittel-Shops für Blinde und Sehbehinderte? Könnte der Markt nicht von gewöhnlichen Firmen abgedeckt werden?

Schön wär’s, und das ist von unserer Seite auch das Ziel. Inklusives Einkaufen. Hierfür sind wir daran, Grundlagen für die Beurteilung von Produkten in Bezug auf ihre Barrierefreiheit auszuarbeiten, mit dem Ziel, diese mit dem Detailhandel zu diskutieren.

Bis es jedoch so weit ist, bieten wir weiterhin Produkte nach dem Mehrsinnesprinzip an, das heisst mindestens zwei Sinne müssen über unsere Hilfsmittel angesprochen werden. Somit verfügen wir aktuell über 600 Produkte im Bereich Orientierung / Mobilität und Alltagshilfen. Wir arbeiten in der Sortimentserweiterung eng mit internationalen Partnern aus verschiedenen Ländern zusammen.

Was sind denn die Hauptherausforderung bei der Entwicklung (elektronischer) Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte?

Erstens gilt es zu klären, ob eine mögliche Entwicklung nicht nur in der Schweiz, sondern auch international einem Bedürfnis entspricht. Der Markt in der Schweiz ist für eine Entwicklung zu klein. Erst wenn ein klares internationales Bedürfnis erkannt wurde, machen wir uns daran den richtigen Industriepartner zu suchen. Ein klar formuliertes Pflichtenheft hilft uns, nicht an den Bedürfnissen vorbeizuentwickeln. Als Non-Profit Organisation müssen wir für ein Projekt die Vorfinanzierung der Entwicklung über eine Vergabestiftung beantragen. Erst bei Zusage der Finanzierung kann das Projekt realisiert werden. Bis zur Markteinführung setzen wir den Prototypen verschiedenster Herausforderungen aus.

Sie sagen, dass der Markt in der Schweiz zu klein ist. Und sie haben auch die Zusammenarbeit mit deutschen und österreichischen Verbänden erwähnt. Wie sieht es denn mit der Herausforderung «Sonderfall Schweiz» mit mehreren Landesprachen aus? Gibt es auch Kooperationen im französischen und im italienischen Sprachraum?

Ganz wichtig, doch, wir arbeiten eng mit Verbänden und Händler auch in Frankreich, Italien, Spanien, Dänemark, Grossbritannien, USA, Kanada, Tschechien zusammen. Der Austausch ist wichtig und wertvoll.

Welche Hilfsmittel sind die „Renner“ im Hilfsmittel-Shop des SZBLIND? Gibt es eine Art „Verkaufs-Hitparade“?

Ja, durchaus, bei den Langstöcken ist es der kanadische Stock Ambutech, bei den Uhren der sprechende Schlüsselanhänger, bei den Personenwaagen die Waage von Beurer. Interessanterweise haben wir während der Corona-Pandemie enorm viele Fiebermesser verkauft (wenn wunderts :-).

Und wo drückt der Schuh? Also, gibt es aus Ihrer Sicht Dinge im Alltagsleben Blinder und Sehbehinderter, die nicht gelöst sind? Welche Hilfsmittel, die es noch gar nicht gibt, würden Sie sich als Leiter der Fachstelle Hilfsmittel wünschen?

Unsere Bevölkerung wird älter und dadurch erhöht sich das Risiko nebst einer Sehbehinderung mit einer zusätzlichen Einschränkung konfrontiert zu werden. Wir sind daran einen Rollator für blinde / sehbehinderte Menschen auf den Markt zu bringen. Die Marktanalyse und das Konzept werden bis Herbst 2022 erstellt sein und dann geht es an die Suche nach Industriepartner, Geldgeber. Wir sind gespannt auf das Resultat.

Stephan Mörker, Leiter der Fachstelle Hilfsmittel beim SZBLIND

Stephan Mörker ist 51-jährig. Er ist Vater von 4 Kindern und wohnt mit seiner Familie im Kanton Bern. Beim SZBLIND leitet er die Fachstelle Hilfsmittel seit 2010. Hobbys: Leidenschaftlicher Texter, Entwickler neuer Töne auf Piano und Gitarre wie auch Cajon (Schlaginstrument). Liebhaber bewegter Bilder (Film) und passionierter Geniesser von gutem Bier (aus England) und ab und zu eine gestopfte Pfeife. Inspirierende Gespräche über Gott und die Welt.


Der SZBLIND ist die Dachorganisation im Schweizer Blinden- und Sehbehindertenwesen. Er nimmt verschiedene Aufgaben wahr, zum Beispiel die Koordination der Interessenvertretung oder die Umsetzung gemeinsamer Projekte in der Arbeit von Kommissionen. Und: In der Entwicklung und im Vertrieb blinden- und sehbehindertengerechter Hilfsmittel. Die CAB gehört zu den zahlreichen Mitgliederorganisationen des SZBLIND.  ⇒ www.szblind.ch direkt zum Hilfsmittel-Shop des SZBLIND

Interview: Roland Gruber
Fotos: SZBLIND

Gelungene Schneesport Premiere

Gruppe im frisch verschneiten Einsiedeln

Am Samstag, 12. Februar 2022 trafen sich 8 wintersportbegeisterte TeilnehmerInnen und 8 BegleiterInnen zur allerersten CAB Schneesportwoche in Einsiedeln. Nach der Begrüssung und dem Vorstellen des Wochenprogramms mit allen organisatorischen Informationen genossen wir einen lebendigen Apéro. Beim anschliessenden, gemeinsamen Abendessen wurden so einige, frühere Langlauf Erlebnisse ausgetauscht.

Am frühen Sonntagmorgen zog bei strahlendem Sonnenschein eine kleine Gruppe auf schmalen Langlauflatten ihre ersten Schritte auf den vorzüglich präparierten Loipen von Einsiedeln. Ein anderer Teil genoss eine dreistündige, wunderschöne Schneeschuhtour im Euthal, unter der fachkundigen Anleitung von Silvia. Der Wetter- wie auch der Loipenbericht für den Montag waren sehr verheissungsvoll, so dass sich die Mehrzahl der TeilnehmerInnen fürs Langlaufen in Einsiedeln oder Studen entschied und dies auch nicht bereute.

Gruppe am Tisch mit roten Rosen

Der Montag war kein gewöhnlicher Tag. Es war Valentinstag. Schon frühmorgens wurden die Damen mit einer Rose und die Herren mit einem «Schöggeli» überrascht. Bei der täglichen Abend-Besprechung an diesem Montagabend war Allen klar, dass wir nun mit einem Wetterwechsel rechnen mussten.

Schneeschuhgruppe

Der Dienstag war somit geradezu prädestiniert für eine winterliche Schneeschuhtour. Die Mehrheit folgte dann auch dem Vorschlag, mit den Schneeschuhen durch den verschneiten Wald, von Biberegg hoch zum Mostelberg zu wandern. Alle zeigten eine hervorragende Kondition, so dass wir unser avisiertes Ziel bereits nach 2 1/4 Stunden erreichten. Bei einem feinen Mittagessen im urchigen Herrenboden konnten wir uns aufwärmen und uns von den Anstrengungen erholen.

Schneeschuhlaufen unter der Leitung von Silvia Pecka

Leider zeigte sich auch der Mittwoch noch stark verhangen und regnerisch. Trotz garstigem Wetter zogen einige Langlauf-Tandems durch die noch intakten Spuren von Studen, doch spätestens jetzt war Allen klar, dass dies wohl der letzte Tag auf den Langlaufski sein würde. Das Lottospiel nach dem Mittagessen fand grossen Anklang, gab es doch sehr attraktive Preise zu gewinnen, wie diverse Bergbahnbillete, Süssigkeiten oder attraktive Victorinox Geschenke. Die Wetteraussichten für den Donnerstag blieben weiterhin enttäuschend und dazu wurde es auch noch sehr windig. So entschlossen wir uns für einen Ausflug nach Rapperswil. Und plötzlich zeigten sich die ersten Sonnenstrahlen und wir genossen die leichte windige Wanderung über den Holzsteg von Hurden nach Rapperswil bei strahlendem Sonnenschein. Beim anschliessenden Rundgang durch die Altstadt von Rapperswil entdeckten wir viele schöne, verborgene Orte. Ein kleiner harter Kern der Schneeschuhtruppe setzte sich das Tagesziel, von Weglosen zur Druesberghütte hochzusteigen. Den mehr als zweistündigen Aufstieg mit teils recht steilen Passagen meisterten sie bravourös. Die warme Suppenmahlzeit in der gemütlichen Hütte war mehr als verdient.

Gruppenbild auf dem Stoos

Den letzten Tag genossen wir alle gemeinsam auf dem autofreien Stoos und auch die Sonne zeigte sich hin und wieder mal. Die spektakuläre Anreise mit der 2017 eröffneten, steilsten Standseilbahn der Welt, war für alle TeilnehmerInnen eine Premiere. Im Stoos angekommen wurden wir herzlichst vom Maskottchen «Froneli» begrüsst und sogar das zufällig anwesende Fernsehteam von Tele1 wurde auf uns aufmerksam und drehte einige Filmimpressionen mit uns. Die anschliessende zweistündige Winterwanderung forderte unsere Balance auf der zum Teil eisglatten Unterlage und die BegleiterInnen waren zu präziser und exakten Führung aufgefordert. Das anschliessende Picknick bei der Talstation Klingelstock genossen wir bei herrlich strahlendem Sonnenschein.

Blindenführhund im Schnee

Die abschliessende Feedback Runde am Abend zeigte, dass die Erwartungen voll und ganz erfüllt waren. Alle zeigten sich begeistert und kamen mit ihren sportlichen Aktivitäten auf ihre Kosten, sei dies zum Anfang auf den Langlaufski oder die Woche durch auf den Schneeschuhtrails. Katja sorgte mit ihren abendlichen Stretching Einheiten dafür, dass kein Muskelkater aufkam. Das Angebot wurde denn auch rege genutzt.

Text und Bilder: Daniel Borter, Kursleiter

Lust auf mehr?

Nach dieser verheissungsvollen Premiere freuen wir uns, die nächste Schneesportwoche in Einsiedeln ankündigen zu dürfen: 11. – 18. Februar 2023
Leitung : Daniel Borter
Ort : Hotel Allegro Einsiedeln

Anmeldungen nehmen wir ab sofort gerne entgegen unter 044 466 50 66 (Kurssekretariat) oder per Mail auf kurse@cab-org.ch

Zusammenarbeit zwischen der Zürcher Sehhilfe (ZSH) und der Schweizerischen Caritasaktion der Blinden (CAB)

Die Zürcher Sehhilfe (ZSH) und die Schweizerische Caritasaktion der Blinden (CAB) beschliessen eine vertiefte Zusammenarbeit im Bereich der Sozialen Arbeit.

Die Sozialarbeiterinnen der CAB werden ab März 2022 einen Teil ihrer Arbeit in den Räumlichkeiten der Zürcher Sehhilfe erbringen. Die Klienten profitieren durch diesen Schritt von den nachgelagerten Prozessen vor Ort bei der Zürcher Sehhilfe in den Fachbereichen Low Vision, LPF, Ergotherapie und Hilfsmittel. Diese Bereiche konnten bisher nicht durch die CAB abgedeckt werden.

Für die CAB ist diese Zusammenarbeit ein wichtiger Schritt, um ihre Ausrichtung zu klären. Die Taubblindenarbeit, einst ein wichtiges Standbein der CAB, ging in den letzten Jahren kontinuierlich zurück, was sich in der Auslastung in der Beratung niederschlug. Die Covid-Situation hat diesen Trend noch beschleunigt.

Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit.

Text: Rudolf Rosenkranz, Geschäftsleiter CAB
Beitragsbild; Symbolbild: Photo by Gabrielle Henderson on unsplash.com